Vom 25. bis 27. Januar 2017 fand der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. Fast 2.000 Juristen, Psychologen, Fahrlehrer, Politiker, Behördenvertreter und andere Verkehrsfachleute trafen sich in Goslar, um im Plenum und insgesamt acht Arbeitskreisen über aktuelle Themen der Verkehrssicherheit zu diskutieren.
Mit den unterschätzten Gefahren der Smartphone-Nutzung beim Autofahren befassten sich die Experten im Arbeitskreis II. Den meisten Autofahrern ist die Gefährlichkeit bekannt; sie sind jedoch der Auffassung, dass sie sich davon nicht ablenken lassen und die Gefahr beherrschen. Aus psychologischer Sicht ist vor allem problematisch, dass die Nutzung des Geräts in den meisten Fällen folgenlos bleibt – glücklicherweise, soweit es sich um einen Unfall handelt, und leider, wenn es unentdeckt und damit auch ungeahndet bleibt. Die Erfahrung („es hat ja keine negativen Folgen für mich“) spricht also nicht gegen eine (weitere) Nutzung.
Für die AK-Teilnehmer stand die erhöhte Unfallgefahr durch die Smartphone-Nutzung bei der Teilnahme am Straßenverkehr außer Zweifel; lediglich ihr Ausmaß stehe noch in Frage und sollte deshalb durch spezielle Unfallstudien („in-depth“-Analysen) geklärt werden.
Der AK hält eine gesellschaftliche Ächtung der Nutzung von elektronischen Geräten während des Fahrens für notwendig. Dazu sollten psychologische, edukative, technische und rechtliche Maßnahmen ergriffen werden. So müsse die Ablenkung im Straßenverkehr zum Thema der schulischen Verkehrserziehung in allen Altersstufen gemacht werden. Empfohlen wird, für die Fahrausbildung geeignete Aufgaben wissenschaftlich zu entwickeln und zu evaluieren, der Bevölkerung mit Verkehrsaufklärung, insbesondere Kampagnen, die Verantwortungslosigkeit dieses Verhaltens bewusst zu machen, und auch technische Lösungen, die eine rechtswidrige Nutzung von Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmitteln durch Fahrende unterbinden, (weiter) zu entwickeln und bei entsprechender Tauglichkeit verbindlich vorzuschreiben.
Hinsichtlich der Tatfolgen plädiert der AK dafür, den wiederholt innerhalb eines Jahres auffällig gewordenen Täter mit einem Regelfahrverbot und/oder einer Teilnahme an einem Verkehrsunterricht zu belegen. Daneben sollte der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe als schwerwiegender Verstoß („A-Verstoß“) gewertet werden. Im Übrigen empfiehlt der AK dem Gesetzgeber, sich auch dem Problem der Ablenkung von Fußgängern durch elektronische Geräte zu widmen.
Weitere interessante Themen aus den (insgesamt acht) Arbeitskreisen waren die Fragen, ob bei allgemeiner Kriminalität ein Fahrverbot als Nebenstrafe in Frage kommt, und ob Senioren ein Risiko für sich und für andere Verkehrsteilnehmer darstellen.
Der Arbeitskreis I behandelte das Vorhaben der Bundesregierung, den Katalog der strafrechtlichen Sanktionen um die Möglichkeit der Verhängung eines bis auf sechs Monate erweiterten Fahrverbotes bei allen Straftaten zu erweitern, d.h. auch solchen, die keinen engen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder den Pflichten im Straßenverkehr aufweisen.
Nach ausgiebiger Diskussion lehnte der Arbeitskreis den Regierungsentwurf mit deutlicher Mehrheit ab: Er sehe weder für eine solche Nebenstrafe noch generell für eine weitere Ausdifferenzierung des Sanktionensystems im Bereich der leichten und mittleren Kriminalität ein praktisches Bedürfnis. Soweit der Vorschlag damit begründet werde, andernfalls zu vollstreckende Freiheitsstrafen abzuwenden (und damit Steuergelder zu sparen), würde dies zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Privilegierung der Fahrerlaubnisinhaber führen. Der AK empfiehlt, statt eines Fahrverbots auch bei Vermögenden das Potential der Geldstrafe durch eine gründliche Ermittlung der Vermögensverhältnisse auszuschöpfen.
Der Arbeitskreis III befasste sich mit dem Thema „Senioren im Straßenverkehr“. In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass ältere Menschen als Kraftfahrer ein zunehmendes Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen. Der AK empfiehlt deshalb, Instrumente zur besseren Einschätzung der eigenen Fahrkompetenz zu entwickeln und wissenschaftlich zu evaluieren. Vorgeschlagen wird eine „qualifizierte Rückmeldefahrt“, deren Ergebnis ausschließlich dem Betroffenen mitgeteilt wird. Falls sich herausstellt, dass solche Instrumente auf freiwilliger Basis nur unzureichend in Anspruch genommen werden, ist die Teilnahme obligatorisch zu machen.
Die anlassbezogene Fahreignungsüberprüfung müsse insbesondere zur Vermeidung von Mehr-fachbegutachtungen älterer Kraftfahrer verbessert werden. Da in erster Linie kognitive Leistungseinschränkungen vorliegen, sollten die psycho-physischen Leistungsüberprüfung (Interview, Leistungstest, Fahrverhaltensbeobachtung) als eigenständiges Instrument in der Fahrerlaubnis-Verordnung verankert und die Ermittlungsbehörden stärker für Fahreignungsmängel sensibilisiert werden. Auch hält der AK eine Verbesserung der verkehrsmedizinischen Kompetenz der Ärzte sowie eine Überprüfung ihrer Meldepflichten hinsichtlich der Fahreignung ihrer Patienten für notwendig. Schließlich rief der AK die älteren Kraftfahrer dazu auf, in Eigenverantwortung zu prüfen, ob und wie sie auf eventuelle Einschränkungen ihrer Fahreignung angemessen reagieren müssen.
Für die Einführung genereller, obligatorischer und periodischer Fahreignungsüberprüfungen sah der Arbeitskreis derzeit jedoch keine Grundlage.
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