Dies gilt auch, wenn der Betroffene einen Blutalkoholwert unter 1,6 Promille hatte oder erstmalig auffällig geworden war. Im vorliegenden Fall war einem Autofahrer wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,49 Promille Blutalkohol von einem Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen worden. Als er nach Ablauf der Sperrfrist die Neuerteilung beantragte, wurde ihm diese vom zuständigen Landratsamt verweigert. Auf die Klage des Fahrers beim Verwaltungsgericht (VG) Freiburg hin verlangte das Amt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Anordnung sei gerechtfertigt durch § 13, Satz 1 Nr. 2, Buchstabe d) der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), da der Führerschein wegen Alkoholmissbrauchs entzogen worden war, so das Gericht. Da der Fahrer kein Gutachten vorlegte, wurde die Klage abgewiesen.
Daraufhin ging der Fahrer in Berufung und machte geltend, dass der herangezogene Paragraph der FeV2 nur die Entziehung durch eine Behörde erfasse, nicht aber durch den Strafrichter. Das VGH Mannheim hat die Rechtsprechung des VG Freiburg bestätigt und die Berufung zurückgewiesen. Nach Auffassung des VGH ist auch bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht ohne Weiteres eine MPU anzuordnen. „Der Verordnungsgeber messe der strafgerichtlichen Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt eigenständige Bedeutung zu; es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Trunkenheitsfahrt der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration überschritten worden sei“.
Nach einer Trunkenheitsfahrt wird ein Strafgericht eingeschaltet, wenn der Fahrer mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut hatte; das Gleiche gilt, wenn der Fahrer zwar nicht so stark alkoholisiert war, aber Ausfallerscheinungen gezeigt oder einen Unfall verursacht hatte. Die Behörden konnten davon ausgehen, dass bei einer Neuerteilung nach einem Strafgerichtsverfahren eine MPU nur dann angeordnet wurde, wenn der Blutalkoholwert 1,6 Promille oder mehr betragen hatte. Nach den Urteilen des VGH Mannheim gilt das nun nicht mehr für die Fahrerlaubnisbehörden in Baden-Württemberg.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat des VGH Mannheim die Revision zum Bundesveraltungsgericht zugelassen. Die Anwendung der genannten Vorschriften der FeV werfe Fragen auf, die in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet würden, und vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht abschließend geklärt seien, hieß es zur Begründung.
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg / Pressemeldung vom 4. August 2015